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Berlin unter den Nazis
Die Stadt Berlin wird als ehemalige „Reichshauptstadt“ oft mit dem Nationalsozialismus in Verbindung gebracht. Zugleich ist oft aber auch von einem „Zentrum des Widerstandes“ die Rede. Wie sah der Zusammenhang zwischen Berlin und dem Nationalsozialismus tatsächlich aus? Nazi-Metropole oder Bastion des Widerstandes?
Zunächst einmal muss man sich ins Bewusstsein rufen, dass die NS-Bewegung nicht aus Berlin stammt. Natürlich war die extreme Rechte seit 1919 in der deutschen Hauptstadt aktiv gewesen, als die berüchtigten „Freikorps“ im Auftrag der Regierung den Aufstand der Linken in brutalster Weise niederschlugen. 1920 fand der gescheiterte rechtsgerichtete „Kapp-Putsch“ statt. 1922 ermordeten Mitglieder eines rechtsradikalen Geheimbundes den deutschen Außenminister Walter Rathenau in Berlin. Und im November 1923 gab es im so genannten „Scheunenviertel“ schwere antisemitische Ausschreitungen. Aber die NSDAP als Kristallisationspunkt des Rechtsradikalismus wurde in München gegründet, nicht in Berlin. Die Bayerische Hauptstadt war damals das Sammelbecken der Rechtsextremen. Berlin wiederum war eine Metropole mit einer starken Linken, die bei den örtlichen und nationalen Wahlen einen großen Teil der Stimmen erhielt.
Im Jahre 1926 schickte Adolf Hitler Joseph Goebbels, seinen besten Redner und Organisator, nach Berlin. Der örtliche NSDAP-Ableger befand sich in einem schlechten Zustand und Goebbels sollte ihn in eine schlagkräftige Formation verwandeln. Die ersten brutalen Auftritte auf der Straße und bei Veranstaltungen folgten schnell. Goebbels sah Gewalt als zentralen Bestandteil seiner politischen Strategie an. Und so wurden bei Kundgebungen Zwischenrufer verprügelt; es gab Angriffe auf die Mitglieder linksgerichteter Parteien und die Verwüstung „jüdischer“ Geschäfte. Obwohl Berlin keinesfalls so „rot“ war, wie Goebbels es behaupten sollte, trafen die Nazis vielerorts auf entschlossenen Widerstand: Vor allem die Kommunisten verfügten über eigene, gut organisierte paramilitärische Verbände, die ihre Veranstaltungen verteidigen und die Konfrontation mit den Nazis suchen sollten.
Aufs Ganze bezogen, symbolisierte Berlin viele Aspekte der Moderne, die den Nazis verhasst waren: Es war eine multikulturelle Stadt mit einer großen Anzahl osteuropäischer Einwohner. Juden spielten in vielen Bereichen der Wirtschaft eine bedeutende Rolle. Die Frauen waren relativ emanzipiert und oft berufstätig. Für jeden sexuellen Geschmack gab es ein Angebot, Prostitution war nichts Besonderes und moderne Kunst fand sich in vielen Galerien und Museen. Die Bevölkerung zeichnete sich durch die Tendenz aus, wenig Respekt vor der Obrigkeit zu haben und ließ sich nicht so leicht beeindrucken. Und sie gab viel Geld für das legendäre Berliner Nachtleben aus.
1933 fanden in Deutschland die letzten (halbwegs) freien Parlamentswahlen statt. Berlins Wähler zeigten eine Präferenz für die linken Parteien. Aber die Stadt war nicht repräsentativ für Deutschland und die Nazis schafften es, das ganze Land innerhalb weniger Monate unter ihre Kontrolle zu bringen. In Berlin wurden tausende Kommunisten, Sozialdemokraten, Juden und andere den Nazis missliebige Personen verhaftet, misshandelt, ermordet oder ins Exil getrieben. „Wilde“ Konzentrationslager wurden überall in der Stadt angelegt. Sozialdemokraten und Kommunisten bauten Untergrund-Netzwerke auf, um ihre Arbeit fortzusetzen. Aber die meisten davon wurden schnell aufgedeckt und zerschlagen.
In den folgenden Jahren versuchten die Nazis, der Stadt ihren architektonischen Stempel aufzuprägen. Riesige Bauten wie das Olympiastadion, das Reichsluftfahrtministerium, der Flughafen Tempelhof und die Neue Reichskanzlei entstanden. Hitler träumte davon, Berlin in „Germania“ zu verwandeln, die Hauptstadt eines von den Nazis besetzten Europas. Die Realisierung dieser größenwahnsinnigen Pläne hätte riesige Teile der Berliner Innenstadt zerstört. Große Aufmärsche, Veranstaltungen und Ausstellungen sollten die Bevölkerung indoktrinieren und ihr die neue „Größe“ des nationalsozialistischen Deutschlands vorführen. Salopp formuliert: Die Nazis waren entschlossen, in der deutschen Hauptstadt eine große Show abzuziehen.
Aber Berlin war gleichzeitig ein Kristallisationskern des Widerstandes gegen die Nazis: So verhinderte zum Beispiel der „beherzte Reviervorsteher“ Wilhelm Krützfeld durch sein Eingreifen die Zerstörung der Neuen Synagoge in der „Reichskristallnacht“ 1938. Eine Gruppe junger Widerstandskämpfer um Herbert Baum führte 1942 einen Brandanschlag auf die Propaganda-Ausstellung „Das Sowjetparadies“ durch. Der Geschäftsmann Otto Weidt tat alles, um die in seiner Blindenwerkstatt arbeitenden Juden zu schützen; viele andere Berliner halfen im Untergrund lebenden Juden. Darüber hinaus gab es größere Widerstandsnetzwerke wie zum Beispiel die „Rote Kapelle“ und die Saefkow-Gruppe. Und Berlin war natürlich auch eng mit dem Kreis der Menschen um Stauffenberg herum verbunden, die 1944 Hitler zu töten versuchten.
Der Widerstand gegen die Nazis war aber nie stark genug, um ihre Diktatur zu stürzen. Erst der Einmarsch der Roten Armee sollte 1945 die NS-Herrschaft beenden. Die Schlacht um Berlin ist dabei oft als ein „fanatischer Endkampf“ beschrieben worden. Aber die Kämpfe dauerten nur knappe zwei Wochen und das Ergebnis stand von Anfang an fest. Die Verteidiger Berlins waren ein bunt zusammengewürfelter Haufen, bestehend aus dezimierten Wehrmachtseinheiten, Seeleuten, Luftwaffen-Personal, Polizisten, SS, ausländischen Freiwilligen und „Volkssturm“. Ihnen fehlte es an einer kohärenten Kommandostruktur, schweren Waffen, Munition und Treibstoff. Und sie wussten, dass sie gegen die sowjetische Übermacht keine Chance hätten. Am 2. Mai kapitulierte Berlin. Hitlers Ende im „Führerbunker“ sollte keine Wagnerianische Götterdämmerung, sondern eher eine Seifenoper sein. Während er und einige seiner Gefolgsleute sich das Leben nahmen, versuchte der Rest, den Sowjets zu entkommen.
Das „Tausendjährige Reich“ sollte nur 12 Jahre lang bestehen – und hinterließ ein zerstörtes Berlin. Seine klügsten Köpfe waren ermordet oder von den Nazis vertrieben worden. Das multikulturelle Gefüge der Stadt war in Stücke gerissen. Berlin hatte sich in ein Symbol des Bösen und der Zerstörung verwandelt.
Heutzutage findet man in Berlin noch zahlreiche Gebäude, die an den Nationalsozialismus und seine Verbrechen erinnern. Aber Berlin ist auch der Standort des Holocaust-Mahnmals und zahlreicher anderer Denkmäler für die Opfer des Nationalsozialismus. Es entbehrt wahrscheinlich nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet die Relikte des Nationalsozialismus heutzutage eine der Hauptattraktionen für die zahlreichen Berlin-Besucher darstellen…